Fotografien von Helmut Friberg auf einem Tisch.
Fans | 10. November 2023, 17:00 Uhr

Geburtsstunde einer einzigartigen Freundschaft

Die schönsten Geschichten im Leben entstehen manchmal durch Zufälle. Als die Berliner Hertha-Frösche am 14. August 1976 zum ersten Saisonspiel unserer Alten Dame beim Karlsruher SC aufbrachen, ahnten sie noch nicht, wie sehr dieser Tag die Fanszenen der beiden Traditionsclubs verändern sollte. „Wir hatten keine Erwartungen, sondern wollten einfach eine gute Zeit haben und ein gutes Spiel sehen“, erinnert sich Helmut Friberg, der unsere Blau-Weißen damals vor Ort unterstützte. „Am Bahnhof standen dann Fans aus Karlsruhe, die eigentlich auf andere KSC-Anhänger gewartet haben. Deren Zug hatte sich aber verspätet, sodass wir stattdessen ins Gespräch kamen.“ Ein Zufall mit Folgen. Gemeinsam fuhren beide Fangruppen in eine Stammkneipe der Lokalmatadoren und erlebten einen „wunderschönen Vormittag“, wie der Fan im Gespräch mit herthabsc.com berichtet. „Von Anfang an haben wir uns super verstanden und hatten Spaß ohne Ende. Danach sind wir dann auch zusammen zum Spiel gefahren.“

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Von Anfang an haben wir uns super verstanden und hatten Spaß ohne Ende.
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-Helmut Friberg

Im altehrwürdigen Wildpark gingen die Verbrüderungen weiter. Fans beider Clubs sahen sich jeweils den Sektor der anderen Blau-Weißen an, ehe zum Anpfiff beide Seiten wieder in den eigenen Block gingen. Auf dem Rasen gewannen unsere Berliner mit 3:0 und eroberten die Tabellenspitze der Bundesliga. „Die Freude war bei uns allen groß, aber wir haben uns dann schon gefragt, wie es jetzt mit den Karlsruhern werden würde“, erinnert sich Friberg. Doch Sorgen waren unbegründet, die neuen Freunde nahmen die Niederlage sportlich. „Statt Stress gab es am Ausgang des Stadions direkt wieder gemeinsame kühle Getränke, ehe wir zusammen zum Bahnhof gefahren sind“, berichtet der Herthaner. Es gab nur ein Problem: „Wir mussten los und unseren Interzonenzug bekommen, denn das war der einzige an diesem Tag. Zuvor haben uns die KSC-Fans herzlich verabschiedet und wir haben Adressen ausgetauscht, um Kontakt zu halten“, erzählt der 67-Jährige.

Ein Freundschafts-Sticker vor dem Berliner Olympiastadion.
Eine Freundschaft, die über Generationen Spuren hinterlässt: Hertha und der KSC!

Gegenseitige Spielbesuche

Denn den Kontakt zu halten und sich regelmäßig zu treffen, war 1976 keinesfalls so einfach wie im Jahr 2023. „Es hatte noch nicht jeder ein Telefon und wir konnten uns eher nur alle paar Monate sehen. Das klappt bei den jüngeren Generationen natürlich regelmäßiger“, schmunzelt Friberg. Neben der Mauer sowie langsameren und unregelmäßigeren Zugverbindungen erschwerte auch die sportliche Situation Treffen in den folgenden Jahren. Während unsere Spreeathener in den achtziger Jahren in der zweiten und dritten Liga spielten, konnten sich die Karlsruher weitestgehend im Oberhaus halten. Die Blau-Weißen nutzten dennoch die sich bietenden günstigen Gelegenheiten, um den befreundeten Club zu unterstützen. „Wenn wir in der Nähe von Karlsruhe gespielt haben, kamen sie zu uns oder wir haben uns gesehen, wenn der KSC gegen andere Berliner Vereine gespielt hat“, unterstreicht der Hertha-Fan. Und dann gab es ja doch das eine oder andere Aufeinandertreffen, bei denen unvergessliche Momente entstanden.

Eine Berliner Ehrenrunde im Wildpark

So auch am 25. September 1982. Unser Hauptstadtclub war wieder aufgestiegen – und Friberg schmiedete mit Pepe Mager, einem weiteren langjährigen Blau-Weißen, einen besonderen Plan. „Pepe und ich haben gesagt: Zum ersten Auswärtsspiel der Saison fahren wir mit dem Fahrrad!“ Logischerweise war dies aufgrund der damaligen deutschen Teilung erst ab der BRD-Grenze möglich, zudem erschwerte der Spielplan das ursprüngliche Vorhaben. Doch der 7. Spieltag bot mit der Auswärtsaufgabe in der Fächerstadt den perfekten Anlass, auf den die beiden gewartet hatten. „Nach einem Samstagsspiel gegen Düsseldorf sind wir am Abend mit der Bahn bis Bebra gefahren. Von dort ging es dann los in Richtung Karlsruhe, wo wir am Freitag ankamen und unsere Freunde getroffen haben“, erinnert sich Friberg. Doch der Höhepunkt des Ausflugs lag noch vor den Herthanern. „Am nächsten Tag ging es in Richtung Stadion und wir durften dort unter Applaus eine Ehrenrunde im Innenraum drehen. Das war schon bewegend“, sagt der Blau-Weiße.

Die Choreographien beim Duell Hertha - KSC im Dezember 2008.

„Wie ein Klassentreffen“

In den folgenden Jahren trafen beide Seiten in 15 weiteren Pflichtspielen aufeinander. Speziell nach dem Wiederaufstieg unserer Herthaner im Jahr 1997 nahm die alte Fanfreundschaft wieder mächtig Fahrt auf und erstreckt sich inzwischen weit über den harten Kern der Kurven hinaus. „Wenn wir uns sehen, ist das wie ein Klassentreffen. Ob jemand Hertha- oder KSC-Sachen trägt, ist völlig egal, alle verstehen sich und halten zusammen. Diese Freundschaft ist eine der ältesten in Europa und wird so extrem und innig gepflegt, das gibt es aus meiner Sicht kein zweites Mal“, bekräftigt Friberg die enorme Verbundenheit, die eben nicht bei den beteiligten Pionieren vom Sommertag 1976 endete. „Ich finde es großartig, wie das über Generationen hinweg gepflegt und gelebt wird – die Ultras sind das beste Beispiel. Bald steht das fünfzigjährige Jubiläum an, und bis dahin wird bestimmt noch das eine oder andere passieren“, ahnt der Anhänger. „Ich bin insgesamt sehr stolz darauf, dass wir so eine tolle Fanfreundschaft haben!“

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Wenn wir uns sehen, ist das wie ein Klassentreffen. Ob jemand Hertha- oder KSC-Sachen trägt, ist völlig egal, alle verstehen sich und halten zusammen.
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-Helmut Friberg

Hoffnung auf einen weiteren unvergesslichen Tag

Und die kann am Samstag endlich wieder von allen Beteiligten angemessen zelebriert werden. Hertha und der KSC. Unter Flutlicht im Berliner Olympiastadion. Was erwartet Helmut Friberg vom Wiedersehen? „Einfach nur Spaß. Aber wenn das Spiel läuft, gibt es für mich auch für 90 Minuten keine Freunde, da habe ich Scheuklappen, da spielt schließlich Hertha“, grinst der Spreeathener. „Ich freue mich aber darauf, gemeinsam mit den vielen Bekannten den Tag zu genießen und hoffe, dass das für alle ein Tag wird, den sie niemals vergessen.“ Eine Hoffnung, die wohl alle Blau-Weißen vereint, wenn sie am 13. Spieltag im weiten Rund zusammenkommen. Und wer weiß, welche Anekdoten und Geschichten an diesem Abend entstehen werden.

von Konstantin Keller